Workshops
Aus dem Nichts
Schreibwerkstatt in der JVA Moabit
Von Januar bis März 2016 führte aufBruch in der JVA Moabit erstmals eine dreimonatige Schreibwerkstatt unter der Leitung der Dramaturgin Marie Urban und der Schriftstellerin Mariana Leky als Lektorin durch. Die dort entstandenen Texte wurden in einer Publikation zusammengefasst und bei einer internen Lesung in der Anstalt vorgestellt.
Die acht Teilnehmer wurden zumeist erstmals an die Arbeit mit Texten herangeführt. Sie schrieben einzeln und in der Gruppe, überarbeiteten ihre Text und übten sich in Ausdruck und Form. Dabei entwickelten sie innerhalb von drei Monaten individuelle Schreibstile.
Gefördert durch den Berliner Projektfonds Kulturelle Bildung – Fördersäule 2
Unterstützt durch JVA Moabit
Entstandene Texte (Auswahl)
Ruhe
Weckt mich bloß nicht, das übernimmt mein Wecker. Hupen, Schreien, Lärm, Lärm, Lärm. Ich brauche meine Ruhe. Kein Telefon, keine Frau, kein Hundebellen. Ruhe. Ich schlafe tief wie seit Jahren nicht mehr. Kein Stress, keine Arbeit. Was brauche ich schon: ein paar Kartons und Zeitungen, die schützen mich vor der Stadt; der ganze Lärm ist verschwunden aus meinen Augen. Den Wecker habe ich hier, um zu sehen, ob ich länger als fünf Stunden schlafen kann. Ich bin aus den Augen und aus dem Sinn. Endlich Ruhe.
Ich erinnere mich
Ich erinnere mich an den Potsdamer Platz, da habe ich als Kind mit meiner Familie gelebt, bevor wir nach Wedding gezogen sind. Mein Bruder und ich haben fast jeden Tag Fußball gezockt, mit den anderen Jungs, selbst im Winter, was eigentlich kein Sinn gemacht hat, weil der ganze Platz voll Schneematsch war, und hinterher sahen wir aus wie Schweine. Ich glaube, meine Eltern haben unsere Sachen trotzdem gern gewaschen. Heute sieht der Potsdamer Platz schön aus. Überall sind Hotels, Einkaufsläden, Bars. Früher gab es nichts von dem, was da heute ist. Da waren eine große Baustelle und ein riesiger Sandberg; etwas weiter weg war unser Bolzplatz. Im Sommer haben wir manchmal unsere Spielsachen dort verkauft. Auf Decken.
Etwas anderes
Als Gebäude wäre ich sehr gut gebaut. Ich wäre der Eiffelturm, den jeder besteigen will. Ich wäre ein Freudenhaus: voller schöner Frauen, Geld und Geheimnisse.
Als Wetterlage wäre ich Tief Susi, weil sie als Niederschlag kommt. Ich wäre ein Hurrikan, eine rasende Mischung aus Hochs und Tiefs. Ich wäre die schönste Zeit: der Sommer.
Als Frucht wäre ich eine Erdbeere. Süß, von Frauen geliebt, im Champagner versenkt.
Als Tier wäre ich ein Tiger, weil ich so krass aussehe und alles jage und kriege, was mir vor die Nase kommt. Ich wäre ein Faultier: Nichts bringt mich aus der Ruhe. Ich wäre ein Falke – edel, frei und gefährlich.
Fotos
Fotos: aufBruch
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Ort
JVA Moabit
Alt-Moabit 12 A
10559 Berlin
Anfahrt: S Bellevue